Ein Jahr im Kreis
Ich spiele Fußball.
In der letzten Liga.
Und schreibe darüber.
>>>Lesen>>>

Miro Klose zum Scrollen
Die lange Karriere des Miroslav Klose in der Nationalmannschaft.
>>>Lesen>>>

120minuten
Lange Fußballtexte wechselnder Autoren. Von und mit mir.
>>>Lesen>>>

Donnerstag, 26. März 2015

Ohne Pause - Ein Jahr im Kreis #11

Die Lethargie der Winterpause - inneres Verrosten durchs Nichtstun. Nichtstunkönnen. Verlust sämtlicher Kondition und der Kontrolle über den eigenen Körper. Doch nicht in dieser Saison, nicht in diesem Jahr. Diesmal bin ich ehrgeizig, diesmal greife ich an und komme stärker wieder als in der ausgehenden Hinrunde. Ich werde fit sein, ich werde da sein, die anderen werden hecheln, ich die Außenlinie hoch- und runterlaufen. Tschakka!

So oder so ähnlich muss ich gedacht oder gefühlt haben, in dem Moment, in dem ich beschloss, mitten im Januar wieder ins Training an der frischen Luft einzusteigen. Mehr Wille als Mensch. Anders kann ich mir das nicht erklären. Wo war die mich sonst in den Wintermonaten auszeichnende Faulheit geblieben? Der Gedanke, dass ein Vergangenheits-Endreas der Kälte trotzend zum Training mitten in der kalten Jahreszeit aufkreuzte, befremdet mich. Ich schaue von außen auf mein jüngeres Ich und schüttele den Kopf: Wozu dieser nutzlose Ehrgeiz? Willst du wegen dem Kreisklassenfußball an einer Lungenentzündung sterben oder im Angesicht des Winters reinholdmessneresk deine Gliedmaßen erfrieren lassen? Damals wollte ich das so. Heute erscheint es mir wie die Besteigung des K2 ohne Sauerstoffmaske.

Mein Enthusiasmus wurde zum Glück ein bisschen ausgebremst. Zeittechnisch konnte ich immer nur den Trainingstermin wahrnehmen, an dem ausschließlich "meine" 4. Mannschaft trainierte - keine Trainingsgruppe 1 und 2 mehr, es würde wohl eher auf Trainingsgruppe 3 hinauslaufen. Und so ging ich auf gut Glück zu meiner ersten Trainingseinheit im neuen Jahr - wer wohl aufkreuzen würde? Nicht viele. Nur wenige Irre kamen auf die Idee, mitten im Januar an ihrer Rückrundenform arbeiten zu wollen. Ich kann nicht mehr genau sagen, ob wir zu viert oder zu fünft waren, aber so konnte man kein ordentliches Training machen.

Was nun? Zwei Stunden im Kreis laufen, sich stupide den Ball zuschieben oder auf die Taktiktafel starren. Das Alles, und vor allem der Punkt mit der Taktiktafel, wären hochnotpeinlicher Murks geworden. Es gibt sicherlich tolle motivierende Trainingsformen, mit denen man sich 2 Stunden in der Winterkälte beschäftigen kann - allein uns stand kein Konzepttrainer, besser gesagt überhaupt kein Trainer zur Seite. Zumindest kein Trainer wie man ihn sich im engeren Sinne vorstellen würde. Die 4. Mannschaft war eine sich selbst verwaltende chaotische und inhomogene Masse Mensch, die ab und an elf Mann für die Spiele zusammenbekam. Trainiert wurde autark mit spontan frei erfundenen oder abgekupferten Übungen, die manchmal sogar in Selbstkasteiung übergingen, wenn man im Kollektiv entschied, die Hälfte der Übungszeit auch Flanken mit links zu üben. Kurz gesagt: Nie im Leben hätten wir zu fünft ordentlich trainiert.

Aber da war ja noch jemand, der zur gleichen Zeit trainierte - das Frauen-Team. Komischerweise standen die Frauen selbst im Januar in Mannschaftsstärke zum Training bereit - inklusive zackigem Trainerstab. Man könnte, man sollte doch...ich war erstaunt, wie schnell und einstimmig die Entscheidung getroffen wurde sich der Trainingsgruppe anzuschließen. Auf dem Dorf, wo ich das Fußballspielen erlernt habe, hätte man diesen Lösungsvorschlag maximal im Scherz ausgesprochen, um sogleich ein paar stereotype Herrenwitze hinterherzuschieben. Hier war man glücklicherweise offener und sofort bereit, sich den Trainingsplatz mit dem anderen Geschlecht zu teilen.

Trotzdem keimte in mir etwas Unsicherheit auf. Waren die Mitspieler wirklich so offen, wie sie taten? War ich so offen, wie ich dachte, dass ich war? Oder steckte in mir ein kleiner Chauvi, ein Macho oder noch schlimmer...ein Mario Barth, der durch das Training zum Leben erweckt werden und seine hässliche Fratze zeigen würde?

Ich werde jetzt an dieser Stelle nicht lange Spannung aufbauen und beantworte die gerade rhetorisch gestellte Frage direkt mal mit: Nein! In dieser und den folgenden Wochen wurde es zur Gewohnheit, sich der Frauen-Trainingsgruppe anzuschließen, da wir weiterhin nur eine Handvoll Spieler waren. In der gesamten Zeit gab es nicht einen dämlichen Spruch oder Gehabe - weder auf dem Platz noch in der Kabine. Es ist natürlich skuril hier einen Zustand, der eigentlich Normalität sein sollte, als bemerkenswerte Begebenheit zu beschreiben. Aber ich war mir eben nicht ganz sicher, ob dieser Normalzustand erreicht werden würde.

Hatte ich eigentlich schon das zackige Trainerteam der Frauen erwähnt? Kondition schien der zentrale Gedanke der Trainingsphilosophie zu sein. Die Gegner sollten anscheinend in Grund und Boden gelaufen werden: Ausdauerläufe, Aufwärmläufe, Steigerungsläufe, Sprints und Intervallläufe (eine Mischung aus Ausdauerläufen und Sprints) waren fest im Trainingsplan verankert, sehr fest. 

Kondition, Puste für die Rückrunde - ich freute mich auf die Spiele im Frühjahr, aber noch mehr freute ich mich auf das Ende der Intervallläufe, wenn ich mich mal wieder keuchend, fast kriechend über den Platz schleppte, bis zum nächsten Sprint.



Freitag, 20. März 2015

Il Fenômeno auf Dreck - Ein Jahr im Kreis #10


Im Juli 2013 stellte ich fest:

Inzwischen, auch wenn einige Zeit ins Land gegangen ist, konnte ich meine Aussage widerlegen. Es ist mir gelungen, meine kleine Serie über eine Saison in der Kreisklasse weiterzuspinnen, langsam zwar, aber immerhin. Steter Tropfen. Für kommende Woche kündige ich hiermit mal vollmundig eine Fortsetzung an.

Bis dahin kann der geneigte Leser HIER die bisher auf diesem Blog erschienenen neun Texte durchstöbern. Text Nummer zehn erschien bei 120minuten, wo sich, wenn ich das richtig sehe, noch nicht einmal einhundert Augenpaare daran satt gesehen haben. Deshalb empfehle ich in Anbetracht der hier angekündigten Fortsetzung kommende Woche unbedingt die Lektüre von Teil 10 bei 120minuten:

Il Fenômeno auf Dreck

Eiseskälte, Aussätzige im Wald und ein Comeback nach Verletzung. Selbst ein Kellerduell in der Kreisklasse hält eine ganze Reihe von Geschichten bereit, die es wert sind, erzählt zu werden.



Montag, 16. März 2015

Minenfeld

Am Anfang meiner Recherche standen viele Fragezeichen - wer ist wer, was ist was?

Alles in Abchasien und Südossetien hat mindestens drei Namen - einen georgischen, einen russischen und einen abchasischen/ossetischen. Wie ich in meinem aktuellen Text einen Ort, einen Fluss, einen Fußballverein nenne, ist also schon fast ein politisches Statement. Nenne ich die größte Stadt Abchasiens "Suchumi" ist das der georgische Name und ich schlage die Stadt damit in gewisser Weise Georgien zu, was dem westeuropäischen Sprachgebrauch und auch der landläufigen Haltung, dass die Region, ihre Unabhängigkeit nicht anerkennend, Teil Georgiens ist, entspricht. Georgische Namen erkennt man in der Regel am "i" am Ende - Fans des SC Freiburg wissen, wovon ich rede.

Wenn man sich dann mit den Fußballklubs der Region befasst, kommt erstmal weitere Verwirrung auf - viele Klubs gibt es mehrmals - als Verein in der Region selbst und als Exilklub in Georgien. Viel Raum also für Verwirrung und Fehler gepaart mit einer dünnen Informationslage - kann das gut gehen?

Kurz nach der Veröffentlichung des Textes bekam ich postwendend Anmerkungen von meinem Interviewpartner aus Abchasien - ich hatte ihn mit einem Namensvetter verwechselt und ihm so einen Regierungsposten angedichtet, ich wusste außerdem nicht, dass der langjährige Präsident des wichtigsten Fußballklubs nicht mehr dessen Präsident war, ich war ebenfalls nicht korrekt über den Status des NATO-Beitritts Georgiens informiert und mein Größenvergleich Abchasiens mit Schleswig-Holstein würde Abchasien kleiner machen, als es ist.

Was mir darüber hinaus Sascha, ein Kenner der Region, mitteilte: meine Wortwahl bezüglich der "abgeriegelten" Grenze zu Russland war ebenfalls unpassend, da Russland zwar mit einer Schließung der Grenzen während der Winterspiele in Sotschi drohte, diese aber nicht umsetzte. Und die korrekten Bezeichnungen für alle Orte, Klubs und Flüsse habe ich wohl auch nicht durchgehend benutzt. Ein Minenfeld.

Aber das hat auch in gewisser Weise den Reiz des Themas ausgemacht. Inzwischen habe ich den Text entsprechend aktualisiert (Abchasien ist immer noch "etwas mehr als halb so groß wie Schleswig-Holstein"). Ich denke, auch wenn im Detail noch der ein oder andere Fehler steckt - der Text gibt einen Einblick in die Situation und den Fußball in der Region und wahrt dabei Objektivität. Deshalb - würde mich freuen, wenn ihr bei 120minuten vorbeischaut und reinlest:

bei 120minuten lesen: Im Niemandsland