Ein Jahr im Kreis
Ich spiele Fußball.
In der letzten Liga.
Und schreibe darüber.
>>>Lesen>>>

Miro Klose zum Scrollen
Die lange Karriere des Miroslav Klose in der Nationalmannschaft.
>>>Lesen>>>

120minuten
Lange Fußballtexte wechselnder Autoren. Von und mit mir.
>>>Lesen>>>

Sonntag, 21. Juni 2015

Aus dem Nichts

Es gibt einen Grund dafür, dass auf diesem Blog nicht mehr ganz so regelmäßig Posts erscheinen. Einen guten Grund. Vor etwa 1 Jahr tat ich mich zunächst mit Christoph, später auch mit Alex zusammen, um bei 120minuten.net regelmäßig lange Fußballtexte zu veröffentlichen.

Unser einziger Antrieb war und ist das Publizieren an sich. Wir wollten herausfinden, ob ein Projekt wie 120minuten auf ausreichend Interesse stößt. Ausreichend Interesse, um uns als Motivation zu dienen, weiterzumachen? Ausreichend Interesse von Autoren, die Texte beisteuern wollen ohne monetäre Gegenleistung? Nach einem Jahr kann ich beide Fragen bejahen. Wir haben bereits mit einem Dutzend Autoren zusammengearbeitet und planen schon die nächsten Kooperationen. Wir konnten mit einigen unserer Texte Themen ausführlich beleuchten, die sonst in dieser Form nicht erzählt worden wären. 

So sieht es aus, das Cover unseres
eBooks. Wir haben es
"Auf Ballhöhe" getauft.
Das Beste an 120minuten ist für mich persönlich, dass es ein Gemeinschaftsprojekt ist - erst die Zusammenarbeit macht aus den vielen Einzelteilen ein großes Ganzes. Und daraus haben wir ein eBook gemacht - alle Texte aus dem 1. Jahr 120minuten zum kostenlosen Herunterladen für den eBook-Reader (wir zählen inzwischen bereits über 200 Downloads!).

Wenn man das Büchlein durchblättert, wird einem bewusst, was wir alles in den letzten Monaten auf die Beine gestellt haben - das macht schon ein bisschen stolz. Vielen Dank an alle Autoren und alle Leser, die das möglich gemacht haben.

An dieser Stelle möchte ich mich auch nochmal bei all denen bedanken, die uns unproblematisch Bildmaterial zur Verfügung gestellt haben. Da ist z.B. Sasa, der auf seinem Blog Groundhopping in Serbia regelmäßig Fotos veröffentlicht. Oder Joseph, der die Stadien Englands bereist und darüber bloggt und twittert. Oder Sascha, der mir als Generalsekretär der CONIFA Bildmaterial aus Abchasien zur Verfügung gestellt hat und eine große Hilfe bei meinen Recherchen war. Vielen Dank!


Freitag, 5. Juni 2015

Die Sickergrube

Sepp Blatter hat seinen Rücktritt angekündigt. Er ist nicht zurückgetreten. Das ist ein feiner Unterschied, der erst im zweiten Moment bewusst wird. Ob sich dadurch an der Arbeit im Weltfußballverband etwas signifikant ändert, ist nicht abzusehen. Das unverständliche Wahlprozedere der Fifa, das jedem Verband, und sei er noch so klein und unbedeutend, die gleiche Relevanz beimisst wie Verbänden mit mehreren Millionen Mitgliedern, bleibt erstmal bestehen. Die Mini-Verbände in der Karibik und die chronisch klammen Verbände in Afrika waren es, die Blatter Stimme um Stimme sicherten. Bekehrt wurden sie mit den Millionen aus den diversen Fifa-Fördertöpfen, die wie ein warmer Geldregen noch auf dem letzten Pazifik-Atoll ein Pro-Blatter-Klima schafften. Früher gab es ja nichts.

Blatter hat es geschafft, den Altherrenklub Fifa in einen international agierenden Konzern zu transformieren, der mit seinem "Premiumprodukt" Fußball-WM Milliarden verdient, die auf die Mitgliedsverbände verteilt werden. Dass das Geld nicht selten versickert? Geschenkt, landet es doch schließlich in den Taschen der Leute, die Blatter wieder und wieder mit ihrer Stimme auf den Thron gehoben haben. Diese Transformation der Fifa und die verschiedenen Förderprogramme werden Blatter immer wieder als Verdienst angerechnet - allein, es ist eine Milchmädchenrechnung.

Sicher, ohne Blatters für den eigenen Machterhalt installiertes Zuwendungssystem gäbe es die finanzielle Unterstützung für die nationalen Verbände nicht. Integrale Bestandteile des Systems Blatter sind aber auch Missmanagement, Korruption und Vetternwirtschaft. Wer sich über die Zusammenhänge informieren möchte, dem sei Thomas Kistners Buch Fifa-Mafia empfohlen, welches viele der jetzt zur Debatte stehenden Missstände bereits vorwegnahm. Eine der Erkenntnisse, die man bei der Lektüre gewinnt, lautet: die Fifa arbeitet hochgradig ineffizient. Großzügige Gehälter, mysteriöse, nicht nachvollziehbare Ausgaben, schlecht ausgehandelte Sponsorenverträge, die alte Bekannte bevorzugen - das ist an der Tagesordnung und sorgt dafür, dass der Fifa viel Geld verloren geht.

Das erkennt, wer sich die Kausalkette WM 2022 ansieht: Die Fifa legt sich entgegen aller objektiven Argumente auf eine WM in Katar fest. Letztendlich muss die Schnapsidee einer Sommer-WM in der Wüste ad acta gelegt und eine Austragung im November und Dezember durchgedrückt werden. Was wiederum dazu führt, dass sowohl die europäischen Großklubs großzügiger für einen verschobenen Spielplan entschädigt werden müssen als auch die amerikanischen TV-Rechteinhaber, bei denen die Winter-WM mit den beliebten US-Sportarten kollidiert. Zur Beschwichtigung werden die Übertragungsrechte für kommende Turniere bereits jetzt zu Vorzugskonditionen verscherbelt und eine für die Fifa lukrative Ausschreibung ist nicht mehr möglich. Dem Fußballweltverband geht dadurch wiederum viel Geld verloren.

Die Vergabe von Übertragungsrechten ist die größte Einnahmequelle für Fußballverbände und seit Jahrzehnten verschenkt die Fifa wegen interner Kungelei vermutlich nicht unerhebliche Beträge. Das wird deutlich, wenn man die Entwicklung der Einnahmen aus Übertragungsrechten bei der Fifa betrachtet. Die Zahlen stammen aus den Financial Reports des Weltverbands. Für jeden WM-Zyklus, also beispielsweise die Jahre 2003-2006, werden in den Berichten die kumulierten Einnahmen aus Übertragungsrechten explizit für die WM-Turniere angegeben. Diese machen den Löwenanteil der Fifa-Einnahmen aus. Die Zahlen lesen sich zunächt imposant:
  • 1999-2002: 1,48 Mrd CHF
  • 2003-2006: 1,66 Mrd CHF
  • 2007-2010: 2,41 Mrd USD
  • 2011-2014: 2,43 Mrd USD
Zwischendrin wurde die Währung gewechselt, von Schweizer Franken zu US Dollar, das lässt die Steigerung von 2006 zu 2010 noch eindrucksvoller erscheinen. Nichtsdestotrotz: die Fifa konnte die Einnahmen aus Übertragungsrechten stetig steigern. Was jedoch auffällt: der geringe Anstieg zwischen 2010 und 2014. Rechnet man den Betrag in Euro (mit historischem Wechselkurs) um, sind die Einnahme 2014 sogar geringer, die Inflation mal außen vor gelassen. Als Grund dafür könnte man die für den europäischen Markt ungünstige Zeitverschiebung beim Turnier 2014 anführen, so haben zumindest hierzulande die ÖR begründet, dass sie die Rechte für Brasilien günstiger als für das vorhergehende Turnier erwerben konnten. Seit den Rechtevergaben zur WM 2010 verhandelt die Fifa direkt mit den Sendern. Zuvor übernahm diese Aufgabe die Infront-Agentur, die weltweit exklusiv die Rechte an den Turnieren 2002 und 2006 handeln durfte. Eine Goldgrube, der Blatters Neffe Philippe vorsteht. Zuvor war für diese lukrative Tätigkeit die zwielichtige und von der Fifa lange gedeckte ISL zuständig, aber das ist ein eigenes Kapitel.

Es verwundert, dass die Fifa auf dem boomenden Fußballmarkt nicht in der Lage war, die Einnahmen signifikant zu erhöhen. Um das zu verdeutlichen, habe ich die Einnahmensituation der Fifa, mit den Zahlen der Champions League und der englischen Premier League verglichen. Die Einnahmen aus Übertragungsrechten habe ich dafür jeweils entsprechend der Fifa-Zyklen aufsummiert. Die nackten Zahlen lassen sich natürlich nicht wirklich vergleichen, da die Frequenz und Anzahl der Spiele zu sehr variiert. Aber die Entwicklung lässt sich vergleichen. Und dabei wird die Ineffizienz der Fifa bei der Vermarktung ihres Goldesels sichtbar.



Die UEFA hatte einen Einnahmeneinbruch Anfang des Jahrtausends zu verzeichnen, der durch die Änderung des Modus (Abschaffung der 2. Gruppenphase) bedingt war. Noch im ausgehenden Jahrtausend hatte die Europäische Kommission die UEFA für ihre Praxis bei der Vergabe von Übertragungsrechten gerügt. Die Rechte wurden nämlich, ähnlich der Fifa, ursprünglich als ein riesiges Gesamtpaket über mehrere Jahre verkauft. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht kritisch. Die UEFA lenkte ein und änderte ihr Vorgehen. Über die Jahre erkennt man einen satten Anstieg der Einnahmen.

In noch stärkerem Maße gilt das für die britische Premier League, die nach den Rechteverhandlungen stets deutlich besser dotierte Verträge vorweisen konnte. So unglaublich die Summen aus England auch klingen mögen, sie scheinen der gestiegenen Nachfrage zu entsprechen. Die Fifa kann bei diesem Wachstum nicht mithalten und muss sich fragen, ob sie sich mit ihrer verfilzten Struktur nicht selbst im Weg steht. Die Antwort aus Zürich würde wohl "nein" lauten, denn schließlich reichen die Einnahmen, um den Personen am Hebel die Taschen zu füllen und nebenbei noch ein paar öffentlichkeitswirksame Förderprogramme zu unterhalten. Aber wer weiß, wie viel höhere Einnahmen man mit dem wichtigsten Sportereignis auf Erden einfahren könnte? Vermutlich genug, um nicht nur einen Bolzplatz sondern gleich eine ganze Multifunktionsarena mit angeschlossenem Nachwuchsleistungszentrum auf jedem Karibik-Eiland zu errichten. Die Fifa-Granden könnten wohl sogar noch mehr verdienen als bisher, so viel Geld könnte eine Fußball-WM abwerfen. Aber solange die mannigfaltigen internen Abhängigkeiten bestehen und der Fußballweltverband der Inbegriff der institutionalisierten Vetternwirtschaft bleibt, wird es dabei bleiben, dass die Fifa ihr wichtigstes Produkt unter Wert verkauft.



Die Herkunft der Daten
Fifa - Fifa Financial Reports
Uefa - Uefa Financial Reports, vor 03/04 sind die Daten ungenau - sie stammen aus einer Uefa-Grafik sowie von Schätzungen der Europäischen Kommission
Premier League - Guardian

Disclaimer
Die Daten habe ich nach bestem Wissen zusammengestellt - wer genauere Zahlen liefern kann, der kann sich gern an mich wenden. Die entsprechenden Beträge wurden unter Berücksichtigung der historischen Wechselkurse (bspw. Summe 2003-2006 mit Wechselkurs 2006) in Euro umgerechnet. Wer hier eine bessere Vorgehensweise parat hat - ich übernehme sie gern.