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Dienstag, 27. Oktober 2015

Der WM-Komplex - ein Dossier

Der Skandal um die WM 2006 bleibt aktuell. An dieser Stelle werden die Ereignisse und ihr Fortgang zusammengefasst - dieser Artikel soll ständig wachsen und die wichtigsten Entwicklungen objektiv abbilden.

Inhalt



Worum geht es hier eigentlich?


In einem Text des Spiegels wird ein schwerwiegender Vorwurf erhoben: 2005 überweist das WM-Organisationskomitee (OK) 6,7 Mio. €. An wen und wofür ist nicht endgültig geklärt. Der Spiegel sammelt Indizien und Hinweise, dass das Geld für Adidas-Chef Robert Louis Dreyfus (RLD) bestimmt ist, der das Geld zuvor dem OK geliehen hat. Wurde damit die WM nach Deutschland geholt? Und falls dem nicht so ist, warum taucht das Geld nirgends in den Büchern des OK auf.

Wer sind die wichtigsten Personen? 


Franz Beckenbauer
Die Lichtgestalt des deutschen Fußballs war der Kopf des Bewerbungskomitees, das die WM 2006 nach Deutschland holen sollte und leitete später das Organisationskomitee (OK). Er stand nicht nur den beiden wichtigsten Gremien im WM-Komplex vor, sondern pflegt auch sehr enge Beziehungen zu fast allen Beteiligten. Die Geschäftsgebahren und sein Netzwerk an Kontakten beleuchtet das Porträt "der sanfte Pate" aus dem Jahr 2006.

Günter Netzer
Sehr gut vernetzt in der Welt des Rechtehandels, der lukrativsten Einnahmequelle, wenn es um die Vermarktung von Sportgroßereignissen geht. Er arbeitet für den Rechtevermarkter Infront Sports & Media, der vom Neffen Sepp Blatters, Philippe Blatter, geleitet wird. Infront vermarkete u.a. die WM 2002 und 2006. Saß im Aufsichtsrat des WM-OK. Ein Porträt aus dem Jahr 2002 beleuchtet seine Arbeit als Rechtevermarkter und lässt auch sein Verhältnis zu RLD nicht aus.

Wolfgang Niersbach
DFB-Präsident seit 2012, ab 2007 DFB-Generalsekretär, im WM-OK ebenfalls Vizepräsident und u.a. verantwortlich für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein Kurzporträt des diskreten Präsidenten aus dem Jahr 2013.

Robert Louis-Dreyfus († 2009)
Von 1993 bis 2001 Vorstandsvorsitzender von Adidas. Ebenfalls bestens vernetzt mit Sportfunktionären weltweit und der Mann, der Uli Hoeneß Geld für seine Spekulationen lieh. Seine Machenschaften und seinen Werdegang stellt die SZ vor.

Fedor Radmann
Enger Vertrauter Beckenbauers und bestens vernetzt in der Welt des internationalen Sports. Bis 2003 einer der Vizepräsidenten des OK. Das Amt legte er wegen eines Interessenkonflikts nieder - er hatte gleichzeitig einen Beratervertrag mit der Kirch-Gruppe. Ein Kurzporträt aus dem Jahr 2006.

Horst R. Schmidt
1. Vizepräsident des OK, dort zuständig für die Geschäftsführung und Verwaltung, Generalsekretär des DFB, von 2007-2013 Schatzmeister des DFB.

Theo Zwanziger
Ab 2003 ebenfalls Vizepräsident des OK und zuständig für Finanzen. Von 2001 bis 2004 DFB-Schatzmeister. Von 2004 bis 2011 DFB-Präsident. Der SWR stellt seinen Werdegang als Zögling von Egidius Braun vor.


Das WM-OK wurde von einem Aufsichtsrat und ein Kuratorium kontrolliert, in dem u.a. Gerhard Mayer-Vorfelder, Wolfgang Schäuble, Otto Schily und Thomas Bach vertreten waren.

Was ist überhaupt passiert? Eine Chronologie.

Eine Recherche des Spiegels kam zu dem Ergebnis, dass es Indizien dafür gibt, dass bei Bewerbung um die WM 2006 und im Vorlauf der WM mit schwarzen Kassen operiert wurde. Der DFB erhielt vor der Veröffentlichung die Gelegenheit, Fragen des Spiegels zu beantworten, verzichtete aber darauf und kam der Veröffentlichung des Spiegels mit einer Erklärung am 16. Oktober zuvor:
[...]hat sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in den vergangenen Monaten intern mit der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 befasst. Im Rahmen seiner Prüfungen hat der DFB keinerlei Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gefunden. Ebenso wenig haben sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Stimmen von Delegierten im Zuge des Bewerbungsverfahrens gekauft wurden. Im zeitlichen Zusammenhang mit diesen Prüfungen sind dem DFB Hinweise bekannt geworden, dass im April 2005 eine Zahlung des Organisationskomitees der WM 2006 in Höhe von 6,7 Millionen Euro an die FIFA geleistet wurde, die möglicherweise nicht dem angegebenen Zweck (FIFA-Kulturprogramm) entsprechend verwendet wurde. Die Zahlung stand in keinem Zusammenhang mit der bereits rund fünf Jahre zuvor erfolgten Vergabe. [...] 
Der DFB bekräftigt, dass es keine Bestechung bei der Vergabe der WM an Deutschland und lediglich Unregelmäßigkeiten bei einer Zahlung des OK gab.

Dann kam der Spiegel am 16. Oktober mit seinem Artikel, der alle Vorwürfe, Indizien und Hinweise auf den Tisch brachte - hier die Online-Zusammenfassung, Volltext hinter der Paywall.
Die Vorwürfe sind weitreichend. Der Kern des Ganzen: ein OK-Fax aus dem Jahr 2005 mit einer Zahlungsanweisung über 6,7 Mio. € inkl. eines handschriftlichen Vermerks, dass das Geld für "RLD" bestimmt ist. Die Notiz wird Wolfgang Niersbach zugeordnet. Wäre dies der Fall, hätte Niersbach bereits da von der Zahlung gewusst.

Der Text erhärtet den Verdacht, dass es im OK oder bereits in der Bewerbungsphase eine schwarze Kasse gab. Warum der DFB zahlte bzw. was und wofür er wann im Gegenzug erhalten hatte - dafür gibt es nur Indizien. Der Verdacht des Spiegel: Mit dem Geld, das in keiner Bilanz auftaucht, wurden Funktionäre bestochen, um die WM nach Deutschland zu holen. Minutiös beschreibt der Artikel die vielen Ungereimtheiten bei der Vergabe der WM, die auf eine Manipulation schließen lassen. Günter Netzer wird zitiert, dass mit dem Geld die vier abstimmenden Asiaten bei der WM-Vergabe bezahlt wurden. An diese Aussage kann er sich heute nicht mehr erinnern. Das Wichtigste: der Spiegel kann konkrete Konten nennen, an die das Geld geflossen ist und beweist, dass eine Zahlung stattfand.

Der DFB sieht sich schweren Anschuldigungen gegenüber und Präsident Niersbach reagiert am 17. Oktober darauf mit einem Interview - hier zum Nachlesen:



Das Interview bringt allerdings keine neuen Erkenntnisse - Niersbach bekräftigt lediglich nochmal - es gab keine schwarzen Kassen, es wurden keine Stimmen gekauft, nur die Zahlung der 6,7 Mio. € war nicht zweckmäßig.

Die Aussagen von Seiten des DFB beschwichtigen kaum jemanden. Der Druck auf Präsident Niersbach und den Verband wird größer. Erste Forderungen, das Amt des DFB-Präsidenten ruhen zu lassen, werden laut (Anno Hecker in einem Kommentar für die FAZ).

Der DFB lenkt ein und setzt kurzfristig eine Presskonferenz am 22. Oktober an:
Zu diesem Zeitpunkt hat der DFB einen neuerlichen Fragenkatalog des Spiegel vorliegen und weiß um neue Enthüllungen in der kommenden Ausgabe. Die PK von DFB-Präsident Niersbach wird ein PR-Desaster. Zunächst schildert er die Abläufe im Zusammenhang mit der Zahlung der 6,7 Mio. €.

Seine Ausführungen basieren lediglich auf den Aussagen von Franz Beckenbauer aus einem zwei Tage zuvor geführten Gespräch. Demnach habe RLD für den DFB 6,7 Mio. € an die Fifa überwiesen, damit diese einen Zuschuss von 170 Mio. € an das OK zahlt. Später habe RLD das Geld zurückgefordert, allerdings standen dem OK dafür offiziell keine Mittel bereit. Deshalb wurde der Betrag als Zahlung für die Eröffnungsgala getarnt und an die Fifa überwiesen. Als die Gala dann abgesagt wurde, wurde das Geld dementsprechend nicht zurückgefordert. Diese Unregelmäßigkeit und zweckentfremdete Benutzung gibt Niersbach zu.

Die PK wirft dennoch viele Fragen auf: Warum die komplizierte Abwicklung über die Fifa? Wieso kam das Geld von Dreyfus? Hat Niersbach die Zahlung in dem vom Spiegel genannten Fax abgezeichnet? Wolfgang Niersbach wirkt überfordert und kann sich an viele Details nicht mehr erinnern. Mit der PK präsentiert der DFB seine Version der Dinge, allerdings alles andere als überzeugend:



Die Fifa stützt die Aussagen von Niersbach nicht. Sie widerspricht der Schilderung - die Zahlungsvorgänge seien nicht vereinbar mit den Richtlinien de Fifa-Finanzkommission. Nach der PK bleiben vor allem - Fragezeichen.

Ebenfalls am 22. Oktober meldet sich Horst R. Schmidt mit einer Erklärung zu Wort: Er stützt die Version von Wolfang Niersbach.

Der Spiegel legt am 23. Oktober mit einer weiteren Veröffentlichung nach und bezieht sich diesmal konkret auf Theo Zwanziger (Vorabmeldung, Volltext hinter der Paywall):


Die Kernaussage kommt vom Ex-DFB-Präsidenten:
Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse gab.
Außerdem belastet er Wolfgang Niersbach - die Handschrift auf dem Fax erkennt Zwanziger als die des aktuellen DFB-Präsidenten; Niersbach hätte schon länger von der Zahlung gewusst, als er behauptet. Zwanziger beruft sich außerdem auf ein Telefonat mit Horst R. Schmidt und bringt den Namen Mohamed Bin Hammam als Empfänger der initialen Zahlung vom DFB ins Spiel - ein deutlicher Hinweis auf Korruption. In seiner Erklärung verliert Schmidt kein Wort über Bin Hammam.

Am 26. Oktober meldet sich Franz Beckenbauer mit einer knappen schriftlichen Erklärung zu Wort (PDF): es wurden keine Stimmen gekauft und er übernimmt als Leiter des WM-OK die Verantwortung für die unzweckmäßigen Zahlungen. Zuvor hatte er bei einer internen DFB-Anhörung Fragen beantwortet. Abweichend von den Erklärungen Niersbachs stellt er fest, dass die Zahlung aufgrund eines Gesprächs mit der Fifa-Finanzkommission (nicht, wie von Niersbach behauptet und von Blatter verneint, in einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Fifa-Präsident) angewiesen wurde.

Am 28. Oktober gibt Günter Netzer bekannt, dass er von Theo Zwanziger eine Unterlassungserklärung verlangt: Zwanziger verleumde Netzer, da er behauptet, dass Netzer zugegeben hat, dass mit dem Geld Stimmen für die WM-Vergabe gekauft wurden. Zwanziger hat seinerseits Hinweise für die Bestechung des Neuseeländers Dempsey bei der WM-Vergabe der Bild bereitgestellt und geht nicht auf die Unterlassungserklärung Netzers ein - er bleibt bei seiner Version und steht zum Netzer-Zitat.

Am 29. Oktober meldet sich Fedor Radmann zu Wort:
"Ich könnte beim Leben meiner sechs Kinder beschwören, dass ich felsenfest davon überzeugt bin, dass nicht ein Mensch von uns bestochen wurde. Ich gehe auch so weit: Keiner hat sich irgendwie bereichert"
Zusätzlich kommen Zweifel darüber auf, ob die 6,7 Mio. € wirklich an RLD zurückflossen - der Tagesspiegel fasst zusammen.

Am 30. Oktober erklärt die Fifa, dass sie ebenfalls Ermittlungen zu der fragwürdigen Zahlung durchführen will und den DFB um Hilfe gebeten.

1. November: der aktuelle Chef des maltesischen Verbands meldet sich zu Wort und äußert sich zum Freundschaftsspiel Maltas gegen den FC Bayern 2001. Er bestätigt: sein Verband erhielt 250.000 $ ohne echte Gegenleistung. Das erhärtet den Verdacht, dass das Freundschaftsspiel genutzt wurde, um den maltesischen Vertreter bei der WM-Vergabe für Deutschland zu gewinnen.

Am 3. November teilt die Frankfurter Staatsanwaltschaft mit:

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat im Zusammenhang mit der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und dem Geldtransfer von 6,7 Millionen Euro des WM-Organisationskomitees des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an den Fußball-Weltverband Fifa Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall aufgenommen.

Es finden Durchsuchungen in den Räumen des DFB sowie in den Privathäusern von Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt statt. Am Mittag gibt Theo Zwanziger eine Pressekonferenz: seine Kernbotschaft - er trägt Mitverantwortung an der verschleierten Zahlung. Während der PK projiziert Zwanziger belastende Dokumente an die Wand, die er anschließend im Saal zurücklässt. Die Forderungen nach einem Rücktritt Wolfgang Niersbach werden lauter und deutlicher.

7. November: Der Spiegel hat verglichen. Die Handschrift der Notiz, die im initialen Spiegel-Artikel erwähnt und auf die Zahlung an RLD verweist, ist mit großer Wahrscheinlichkeit die von Wolfgang Niersbach. Ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass Niersbach die fragwürdige Zahlung schon sehr viel länger bekannt war, als er bisher zugab. Die Enthüllung erhöht den Druck auf den DFB-Präsidenten: am 9. November tritt er, nach einer Sitzung mit dem DFB-Präsidium und den Landesverbänden, zurück.



Der Rücktritt kann erst der Anfang sein - es bedarf eines Kulturwechsels beim DFB, schreibt die Zeit. Am gleichen Abend äußert DFB-Vize Rainer Koch aufgrund aktueller Ergebnisse der internen Ermittlungen:

"Wir müssen uns mit der Frage, wie die WM 2006 vergeben wurde, näher befassen."

Was von allen Seiten bisher immer abgestritten wurde, steht nun auch innerhalb des DFB zur Diskussion: Hat sich Deutschland bei der WM-Bewerbung einen unlauteren Vorteil verschafft? Es soll einen Versuch gegeben haben, Jack Warner für sich zu gewinnen. Den entsprechenden Vertrag haben Franz Beckenbauer und Fedor Radmann zu verantworten. Der DFB teilt am 10. November mit, dass der Vertrag wenige Tage vor der Abstimmung über die WM-Vergabe unterzeichnet wurde. Dieser Hinweis auf einen Bestechungsversuch erhöht den Druck auf Franz Beckenbauer.


Wer untersucht die Sache?

Der DFB hat laut eigener Aussage bereits intern Ermittlungen vorgenommen, die zu dem Schluss kamen, dass für die WM-Bewerbung nicht mit schwarzen Kassen operiert wurde, wann genau diese Ermittlung stattfand (und somit auch intern bekannt war, dass Aufklärungsbedarf besteht) - darüber gibt es unterschiedliche Aussagen.

Mittlerweile hat der DFB auch eine Wirtschaftskanzlei eingeschaltet, die den Vorgang untersuchen soll. Der DFB bekräftigt, dass die Angelegenheit mit Nachdruck verfolgt wird. Es gibt aber auch Zweifel an der Unabhängigkeit der Kanzlei - der Leiter des DFB-Präsidialbüros und ein Partner der Kanzlei kennen sich.

Darüber hinaus befasst sich der Sportausschuss des Bundestags mit dem Themenkomplex und möchte die Beteiligten befragen.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt handelt ebenfalls - es wurden Durchsuchungen wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung durchgeführt.

Welche Konsequenzen drohen den Beteiligten?

Viele der Dinge, die aktuell zu klären sind und strafrechtlich verfolgt werden könnten, sind inzwischen verjährt. Steuerrechtlich könnte der Vorgang dennoch weiterhin Konsequenzen haben. Die falsch verbuchte Zahlung kann dazu geführt haben, dass der durch die WM erwirtschaftete Überschuss und damit auch die darauf zu entrichtenden Steuern manipuliert wurden.

Darüber hinaus steht natürlich die Reputation der Beteiligten auf dem Spiel. Wolfgang Niersbach kann sich schon jetzt keine Chancen mehr auf eine vor kurzem noch für möglich gehaltene UEFA- oder gar FIFA-Präsidentschaft mehr machen.

Der Schaden für den deutschen Fußball ist schon jetzt enorm. Wie groß das Ausmaß der Ungereimtheiten ist, bleibt weiterhin unklar. Dem von allen Seiten geäußerten Wunsch nach lückenloser Aufklärung scheinen die Beteiligten nicht wirklich nachzukommen. Ein fragwürdiges Schauspiel.

Die Nebenkriegsschauplätze

Niersbach vs. Zwanziger
Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger sind sich nicht grün. Spätestens seit Ende der Zwanziger-Präsidentschaft beim DFB, Niersbach und seine Unterstützer forcierten die Ablösung Zwanzigers, ist das Verhältnis vergiftet. Auf der einen Seite Zwanziger, der als DFB-Präsident mehr Veränderungen anstieß, als dem einen oder anderen lieb war. Auf der anderen Seite Niersbach, der stets im Sinne der DFB-Oberen handelte. Zwanziger scheint nun mit seiner Sicht der Dinge alleine dazustehen.

Niersbach, sein DFB und Beckenbauer scheinen eine gemeinsame Argumentationslinie zu fahren. Oli Fritsch fasst das Verhältnis Niersbach-Zwanziger gut zusammen. Worauf die Feindschaft der beiden fußt, erläutert auch Günter Klein anekdotenreich.

Die Deutungshoheit in den Medien
Der Spiegel war nicht zimperlich bei seinen Enthüllungen. Die versickerten 6,7 Mio. € und die zahlreichen Indizien, die für eine Manipulation der WM-Vergabe sprechen, lassen die getroffenen Aussagen und Vermutungen jedoch plausibel erscheinen. Viele andere Medien machten das, was man in diesem Moment erwarten würde - sie forderten Aufklärung von Seiten des DFB.

In einigen Medienhäusern scheint der Fokus allerdings anderswo zu liegen. Am Sonntag nach der Veröffentlichung des initialen Texts, entschied man sich im Sport1-Doppelpass für eine Axel Springer-lastige Runde, die das Thema stiefmütterlich behandelte. Am Abend führte Sky ein Gespräch mit dem am Spiegel-Text beteiligten Journalist Jens Weinreich. Dieser wurde unvorbereitet mit den Äußerungen des ebenfalls zugeschalteten und den DFB vertretenden Medienanwalts Christian Schertz konfrontiert. Weinreich reagierte ungehalten - die Bild griff seinen Fehlgriff auf.

Als Außenstehender wurde man das Gefühl nicht los, das vor allem die Bild eher an der Diskreditierung des Spiegels und seiner Autoren, denn an einer Aufklärung des Sachverhalts interessiert war. Welche Querverbindungen es zwischen Beckenbauer, Bild und DFB gibt, beleuchtet dieser Text in der Taz.

Im Vorfeld der Niersbach-PK veröffentlichte die Bild, namentlich deren Sportchef Alfred Draxler einen Text, der das Zustandekommen der 6,7 Mio. € Zahlung erklären sollte. Exakt der gleichen Argumentation folgte wenig später auch Wolfgang Niersbach. Natürlich finden sich auch kritische Töne in Bild und anderen Axel Springer Medien, aber der Eindruck bleibt, das die Berichterstattung nicht 100 % ausgewogen ist.

Den Schlagabtausch in den Medien erläutert auch das Bildblog.

Nach und nach rückt(e) die Bild von ihrer bedingungslosen Unterstützung der DFB-Argumentation ab. Am Tag des Rücktritts von Wolfgang Niersbach, konnte Jens Weinreich einen gewissen Meinungswandel ausmachen. Nachdem die Verstrickungen Franz Beckenbauers durch die DFB-internen Ermittlungen zu Tage gefördert wurden, sah sich Alfred Draxler genötigt sich öffentlich zu entschuldigen (das Bildblog fasst wiederum zusammen).

Trügerische Salamitaktik

Die Protagonisten des Skandals geben nicht mehr zu, als sich ohnehin nicht mehr leugnen lässt. Das scheinbare Taktieren der Beteiligten wirkt nicht gerade Vertrauen erweckend. Bis auf Theo Zwanziger scheinen sich die Protagonisten auf eine Version der Geschichte verständigt zu haben.

Vom Hörensagen

Das Meiste, was ans Licht der Öffentlichkeit kommt, fußt auf Erinnerungen, nicht auf Beweisen. Von Gesprächen und ihren Verläufen gibt es keine Protokolle sondern nur sich teilweise widersprechende Erinnerungen. Die Aussage "Ich kann mich nicht erinnern" in diversen Abwandlungen bekommt man immer wieder zu hören. Sicher, die fraglichen Ereignisse liegen Jahre zurück, aber das Ausmaß der Erinnerungslücken ist dennoch beachtlich. Die Vorgänge und Beträge, um die es geht, sind schließlich keine Lappalien. Da liegt die Vermutung nahe, dass Erinnerungslücken dem Selbstschutz und der eigenen Entlastung dienen.

Welche Fragen sind offen?

Wofür waren die 6,7 Mio. € bestimmt? Der DFB behauptet als Anzahlung für den Organisationszuschuss der Fifa. Der Spiegel und Theo Zwanziger behaupten, dass es in schwarze Kassen floss.

Warum wurde der Betrag auf so eigenartige Weise hin- und hertransferiert? Die Argumentation des DFB zum Fluss des Geldes macht wenig Sinn und wurde von der Fifa dementiert.

Wer lügt und warum wurde nicht schon früher aufgeklärt? Die Protagonisten haben unterschiedliche Auffassungen darüber, wann sie von dem Missstand erfuhren. Je nachdem, wann dies der Fall war, hätten bereits zu einem früheren Zeitpunkt Untersuchungen in Gang gebracht werden müssen.

Wer hält mich auf dem Laufenden?

Jens Weinreich - einer der Autoren, der Spiegel-Texte. Wenn es um Korruption im Sport geht, ist er DER Experte unter deutschsprachigen Journalisten.

Oli Fritsch - veröffentlicht regelmäßig Hintergrundtexte zum Fortgang des Skandals bei der Zeit.

Günter Klein - schreibt für den Münchner Merkur und kann aus mehreren Jahrzehnten Erfahrung als Sportjournalist schöpfen.

Tim Röhn - ist immer bestens informiert über die Machenschaften in der Fifa.

Ein Slow-Blog der Zeit sammelt kontinuierlich Informatives, Meinungen und Unterhaltsames zu dem Skandal.

Fokus Fußball - die wochentägliche Presseschau mit lesenswerten Links und Analysen.


Stand: 5. November 2015

Gibt es wichtige Aspekte und weiterführende Links, die an dieser Stelle noch nicht berücksichtigt werden - Anmerkungen und Hinweise in den Kommentaren - ich werde den Artikel in den kommenden Tagen aktualisieren.


Bildnachweis:

  • Franz Beckenbauer - Ralf Roletschek [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
  • Wolfgang Niersbach - Ralf Roletschek [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
  • Theo Zwanziger - By Heinrich Böll Stiftung from Berlin, Deutschland [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons