Ein Jahr im Kreis
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Mittwoch, 29. Januar 2014

Nicknames - die Spitznamen der englischen Fußballteams

Eine schöne Marotte des englischen Fußballs sind die Spitznamen, die die Mannschaften nicht nur bei den eingefleischten Fans sondern auch im Allgemeinen Sprachgebrauch haben. Die meisten Bezeichnungen sind schon seit vielen Jahrzehnten gebräuchlich und werden als Teil der Fußballtradition wahrgenommen.

Hierzulande gibt es das nicht, bzw. nicht flächendeckend. Selten wird ein bestimmter Terminus mit einer Mannschaft in Verbindung gebracht - auf der Insel scheinen die Teams mit ihren Spitznamen verwachsen - eine zweite Haut, die Auskunft über Einstellungen oder Herkunft des Klubs gibt.

Ich habe mich auf die Suche nach der Herkunft dieser Spitznamen begeben - einige sind banal, andere vertrackt, unerwartet, richtiggehend debil. Ergebnis meiner Suche ist die Liste unten. Darin zu finden ist

  • der geläufigste Spitzname mit einem Link auf die beste aufzutreibende Quelle, 
  • eine sinngemäße Übersetzung (diese entspricht nicht immer der offensichtlichsten) 
  • sowie Name, Ort und Liga des Vereins. 

Hinter den Links steckt eine längere Recherche (auch wenn einige nur zu Wikipedia führen) da ich immer versucht habe, mein Ergebnis so gut es geht abzusichern. ABER: Ich bestehe darauf, dass ich hier im Fall der Fälle mit aller notwendigen Härte von den Lesern berichtigt werde.








Der Spitzname Aston Villas sorgt immer wieder für Konfusion. Richtig ist: der Spitzname des Teams lautet Villans und ist damit eine Ortsbezeichnung. Wegen ähnlicher Aussprache wird aber immer wieder von den Villains - den Bösewichten gesprochen. Sogar auf Bildchen in Zigarettenschachteln.

Viel spannender oder dröger (je nachdem) als der aktuelle Spitzname des Chelsea FC ist ein alter, nicht mehr gebräuchlicher - The Pensioners. Bis in die 50er-Jahre wurde das Team aus London mit diesem Spitznamen assoziiert. Die Bezeichnung Pensionäre rührte von dem Begriff "chelsea pensioner" her. So wurden nämlich die Insassen des Royal Hospital Chelsea genannt, einem Altenheim für britische Soldaten. Die Verbindung von Seniorenheim und Fußballklub war so eng, dass sich im Klublogo sogar ein alter, bärtiger Geselle fand. Club Manager Ted Drake sorgte ab 1952 für einen Imagewandel - er lies das alte Logo und den Spitznamen verschwinden.

Craven CottageDer Spitzname des Fulham FC, Cottagers, hat einen ganz und gar einleuchtenden Hintergrund, dessen ich mir erst im Rahmen dieser Recherche gewahr wurde. Cottage heißt soviel wie Jagdhütte und eben solche grenzt direkt an das Stadion des Klubs, das Craven Cottage, an. Auch der Fakt, dass diese Jagdhütte bei Eröffnung des Stadions 1896 durchaus ihre Berechtigung hatte, ist an dieser Stelle erwähnenswert.

Die Bedeutung des Spitznamens des Liverpool FC ist relativ eindeutig. Reds ist eine Anspielung auf die Trikots und Rot ist gleichzeitig auch eine für Liverpool typische Farbe. Nicht ganz unbekannt aber dennoch erwähnenswert ist, dass der Liverpool FC zwar schon sehr lange, aber noch nicht seit seiner Gründung in roten Trikots aufläuft. In den ersten Jahren spielte man in den Farben Blau und Weiß - also denen des Lokalrivalen Everton. Noch im ausgehenden 19. Jh. wechselte man zu roten Trikots und weißen Hosen. 1964 dann wurde unter Trainer Bill Shankly die rote Hose eingeführt.

Spitznamen aus der Vogelwelt sind bzw. waren bei englischen Fußballklubs keine Seltenheit und sollten Beweglichkeit und Geschicklichkeit symbolisieren. So zum Beispiel bei West Bromwich Albion, die eine Drossel im Klublogo führen. Aus heutiger Sicht wirken die kleinen Vögelchen eher putzig. Inzwischen hat sich für WBA der Spitzname Baggies durchgesetzt, zu dem mehrere Theorien kursieren. Eine besagt, dass es zu Beginn des 20. Jh. nur zwei Stadionzugänge gab. Dort wurden dann die Tageseinnahmen eingesackt und in prall gefüllten Hosentaschen zu den Büroräumen im Stadion getragen - daraus entstand der Ruf: "here come the Baggies". Weitere Theorien ranken sich um Schutzkleidung von Fabrikarbeitern oder bekannte Spieler, die den Klub verließen und den übriggebliebenen Spielern zu große Hosen (Fußstapfen) hinterließen.

In der Vogelwelt hat man sich auch beim Norwich City FC bedient. The Canaries - also Kanarienvögel - rührt von den von Einwanderern mitgebrachten und in Norwich gezüchteten Vögeln her. 1905 bezeichnete Klubmanager John Bowman seine Spieler liebevoll als "my little canaries". Eine Vorlage, die die Presse gerne aufgriff. 1907 passte Norwich seine Trikotfarben entsprechend an, die Heimtrikots waren fortan grün-gelb.

Beim Reading FC hat sich der aktuelle Spitzname "The Royals" wegen der Nähe zu Windsor Castle etabliert. Bis in die 70er-Jahre des 20. Jh. war man jedoch als "The Buiscuitmen" bekannt. Der örtlichen Keksfabrik Huntley & Palmers, die ihren Betrieb 1976 einstellte, sei Dank. Wer mehr über die Geschichte von Huntley & Palmers erfahren will, dem sei die dazugehörige Website empfohlen inkl. Kekstimeline und interaktivem Keksspiel.

Der Sunderland AFC hatte viele Spitznamen, so zum Beispiel "Rokerman" in Anspielung auf das Roker Park Stadion. Nachdem man aus diesem 1997 auszog, musste ein neuer Name her. Der Verein verließ sich auf die Stilsicherheit seiner Anhänger und organisierte eine Abstimmung unter den Fans, die vorab ihre Vorschläge einreichen konnten. Mehr als 10.000 Anhänger stimmten ab und erkoren "The Black Cats" zum neuen Spitznamen. Mit schwarzen Katzen bestanden bei Sunderland nämlich schon länger Anknüpfungspunkte. 1908 schaffte es ein Exemplar z.B. aufs Mannschaftsfoto.

Der Spitzname des Swansea City AFC hat weniger mit Schwänen zu tun, als vielmehr mit Wikingervornamen und der Lage des Ortes. Swansea war ein Handelsposten der Wikinger und der Name bedeutet wahrscheinlich soviel wie "Svens Insel". Beim heute geläufigen Spitznamen der Fußballmannschaft "The Swans", denkt natürlich niemand mehr an einen Wikinger, sondern vielmehr an Schwäne, die auch im Klublogo verewigt sind.

Swansea Jack memorial
Swans ist jedoch nur eine Kurzform für Swansea Jacks, so werden auch die Einwohner der Stadt bezeichnet. Für die Swansea Jacks wiederum gibt es zwei Theorien. Die erste stammt aus der Zeit, als die Männer aus Swansea als Seeleute einen guten Ruf genossen. Die zweite hat mit einer abstrusen Begebenheit zu tun und soll deshalb an dieser Stelle näher erläutert werden. Im Jahr 1930 erblickte Retriever Jack in Swansea das Licht der Welt. Hund Jack konnte Gefahr quasi riechen und betätigte sich als Rettungsschwimmer. 27 Menschen soll Jack vorm Ertrinken gerettet haben, bis er 1937 nach dem Genuss von Rattengift auf tragische Weise starb. Bereits zu Lebzeiten wurde er mit Medaillen ausgezeichnet. Jack war ein Star und ist in Swansea unvergessen - heute erinnert ein Denkmal an ihn

Die Red Devils, also Manchester United, haben ihren Spitznamen vielleicht nur geborgt - und zwar von einem Rugbyteam aus Salford (der Link zu dem wirklich sehr lesenswerten Text funktioniert momentan leider nicht), einem Stadtteil von Manchester. Auf einer Tournee durch Frankreich 1934 bekam das Rugbyteam diesen Spitznamen von den Franzosen verpasst - wozu auch mehrere Theorien kursieren, was aber an dieser Stelle zu weit führen würde. Es könnte also gut sein, dass man sich bei Salford bedient hat.

Unter Trainerlegende Matt Busby kam durch die Medien der Spitzname Busby Babes auf. Der Begriff wurde aller Wahrscheinlichkeit nach das erste Mal 1951 in einem Zeitungsartikel erwähnt. Das aus den Busby Babes die Red Devils wurden, hat vermutlich wenig mit dem dramatischen Flugzeugabsturz von 1958 in München zu tun, denn die Bezeichnung Red Devils kam schon vorher auf.

Eine andere Theorie rankt sich um ein Europapokalspiel von Manchester gegen Anderlecht aus dem Jahr 1956. In der ersten Runde traf man auf den belgischen Meister und besiegte diesen im Heimspiel mit 10:0. In Anderlecht gewann man mit 2:0 und vielleicht hat diese denkwürdige Europapokalpaarung den Namen mitbegründet. So ganz geklärt ist die Herkunft des Spitznamens also, nach meinen Recherchen, nicht - ich lasse mich gern eines besseren belehren.

PS: Ein paar Websites haben sich neben der Wikipedia als sehr wertvoll erwiesen. Footynicknames ist ziemlich bunt, aber die alten Klublogos und Zigarettenschachtelbildchen sind einen Blick wert. The Beautiful History ist ein Blog, das sorgfältig recherchierte Informationen zu Farben, Namen und Logos vieler britischer Klubs liefert und aus dem leider nie ein Buch wurde. Fürs Auge ist dieses flickr-Set mit alten Zigarettenschachtelbildern.



Freitag, 3. Januar 2014

Notnagel - Ein Jahr im Kreis #6

Aufgrund meines Mobilitätsproblems und der Aussicht auf weitere vier Stunden Zugfahrt meldete ich mich für den 2. und 3. Spieltag ab. Sich Abmelden ist in der Praxis mit einem unangenehmen Telefonat verbunden. Man muss seinem Gegenüber glaubhaft versichern, dass man tatsächlich etwas Wichtigeres zu tun hat, als Fußball zu spielen oder sich übermenschliche unüberwindbare Probleme aufgetan haben, die einem das Mitspielen unmöglich machen. Mein Trainer hatte meistens Verständnis, wenn man am Wochenende anderweitig zu tun hatte und absagte. Zumindest war das seine Art damit umzugehen. Was würde es auch bringen, sich mit den paar zur Verfügung stehenden Leuten zu überwerfen und ihnen Vorhaltungen zu machen?

Wer ein klein bisschen verwahrlost ist (wie ich von Zeit zu Zeit), greift bei der Abmeldung nicht selbst zum Hörer sondern lässt anrufen. Im Laufe der Woche des sich androhenden Spieltags schellt mit Sicherheit das Telefon. Spätestens am Donnerstagabend meldet sich der Trainer und fragt wie es steht, denn die Erfahrung hat ihm gezeigt, sich auf keinen Fall auf irgendwelche im Siegestaumel nach dem Spiel abgegebenen Versprechen zu verlassen. Als Spieler rede ich mir in einem Akt unendlicher Verblendung und aktiver Selbstbeschwichtigung ein, dass die Ausgangssituation bis zum Anruf des Trainers noch so stark von der Lage zu Wochenbeginn wegmäandrieren könnte, dass man letztendlich doch auflaufen können würde. Ganz plötzlich könnten lästige Termine, wie Geburtstage oder andere zwischenmenschliche Verpflichtungen, deren Teilnahme man in Momenten emotionaler Verwirrung versehentlich zugesagt hat, durch “unglückliche Unfälle” obsolet werden. Oder ich könnte endlich das monatlich im Rahmen der Fußballübertragung verloste Auto abräumen und wäre plötzlich wieder uneingeschränkt mobil.

Greift man selbst frühzeitig zum Hörer hat das eine andere Dimension. Die Möglichkeit, es sich aufgrund veränderter Vorzeichen nochmal anders zu überlegen, besteht dann nicht mehr. Denn was macht der Trainer nach der Absage - er ruft den Nächstbesten an und fragt ihn - irgendjemand wird sich schon finden. Das Ganze läuft nämlich nach dem Prinzip “Revolvergebiss” ab, wie wir es von unserem nächsten Verwandten aus der Tierwelt kennen: sagt der erste Kandidat ab, rückt ein anderer nach und der erste ist für den kommenden Spieltag ausgeplant, wenn es sich nicht gerade um den verhinderten Mannschaftskapitän oder Goalgetter handelt. Der Ersatzkandidat wurde angerufen und wenn er zusagt, spielt er auch, um ihn nicht zu vergraulen. Der Unterschied besteht darin, dass es sich bei den Nachrückern in der Regel nicht um messerscharfe Mordwerkzeuge sondern schlecht geflickte Amalgam-Stumpen handelt.

Würde es sich jetzt Kandidat 1 wieder anders überlegen, es wäre ein beherzter Schlag ins Revolvergebiss Mannschaftsgefüge. Ein Fußballteam ist ein komplexes und meist hierarchisch aufgebautes soziales Gebilde. Da kann man es sich nicht einfach anders überlegen. Das bringt nur Unruhe. Und wenn du weg bist, bleibst du weg.

Die Trainer sind bei diesem ständigen Stühlerücken besonders gefordert. Überhaupt ist ihr Aufgabenbereich in den Niederungen des organisierten Fußballs völlig anders gelagert, als man es von den Großen der Zunft kennt. 90 % ihrer Energie verwenden sie darauf, Woche für Woche eine Mannschaft zusammenzustellen, die sich nicht blamiert. “Mannschaft zusammenstellen” bedeutet natürlich nicht, spektakuläre Transferdeals einzufädeln, mit dubiosen Spielerberatern in schummerigen Hinterzimmern zu verhandeln oder Fachärzte zu konsultieren, um den Mittelfeldmotor fitspritzen zu lassen. “Mannschaft zusammenstellen” bedeutet für die Trainer meist noch nicht mal aus einer gewissen Anzahl von Spielern eine schlagkräftige Truppe zu formen und den Kader evtl. den Gegebenheiten des Spieltags anzupassen.

Nein, es bedeutet einfach irgendwie 12 - 14 Leute zusammen zu bekommen, die einigermaßen Fußball spielen können. Zumindest in der relativ dünn besiedelten Gegend, in der ich spiele, geht es, ohne dass ich das jetzt irgendwie belegen könnte, vielen Teams so.

Die Spieler sind im besten Arbeitsalter und gehen ihrer Arbeit meist in mehreren 100 km Entfernung nach. Sie studieren, machen Urlaub, ohne zuvor den Spielplan zu konsultieren und viele andere Dinge, die dazu führen, dass die einzige Konstante im Kader die ständige Fluktuation ist.

Klar, alle kennen sich untereinander und von einer Woche zur nächsten wechselt nicht die komplette Mannschaft. Aber wenn man sich mal überlegt, dass zu den limitierten fußballerischen Fähigkeiten der Spieler in der untersten Klasse noch eine ständige Rotation kommt, dann darf man sich über die grottige Qualität des Dargebotenen noch viel weniger wundern. In mehreren Spielen hintereinander mit der gleichen Abwehrformation aufzulaufen, ist absoluter Luxus.

Jedenfalls bringt der Trainer einen Großteil seiner Zeit mit dem Versuch herum, telefonierend, eine einigermaßen annehmbare Mannschaft zusammenzuwürfeln. Es wird nicht stundenlang über Taktik oder ähnliches gegrübelt. Viel mehr Zeit verbringt ein Trainer damit, sich abenteuerliche Ausreden anzuhören. Denn für viele Spieler ist Fußball auf diesem Niveau eben nur ein Hobby (von vielen). Wenn die Lust auf das runde Leder nicht so groß ist, kann man eben aus “arbeitstechnischen” Gründen nicht kommen oder man hat sich “verletzt”.

Mit so was müssen sich Trainer herumschlagen - die Telefongesellschaften freuen sich. Ich möchte, wenn ich das Ergebnis des 2. Spieltags sehe, nicht wissen, wer diesmal auf dem Platz gestanden hat. Der Begriff Notelf wäre vermutlich ein Euphemismus.

0:0 hieß das Endergebnis gegen eine der schwächsten Mannschaften der Liga. So etwas läuft dann in der Kategorie “Schweinespiel”. Zu einer solchen Partie lassen sich im Nachhinein kaum Informationen gewinnen. Fragt man die Mitspieler bei nächster Gelegenheit danach, bekommt man lediglich ein Schulterzucken zur Antwort. Ein Großteil will nicht dabei gewesen sein und der Rest kann sich an Nichts erinnern. Hört man dann, wer alles verhindert war, fragt man lieber gar nicht mehr, wer überhaupt gespielt hat.

Nur der arme Trainer muss sich das ganze Elend 90 Minuten anschauen, kann nicht ein- noch auswechseln und erkennt im Minutentakt, wie wichtig eine eingespielte Mannschaft wäre. Und was bekommen Sie dafür? Eine dicke Telefonrechnung und vielleicht noch ein paar warme Worte.