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Sonntag, 16. März 2014

Und wo bleibt die Spannung?

Update: In der Gruppenphase der CL-Saison 14/15 haben die Gruppenletzten erstmals seit 2008 im Schnitt wieder mehr als 3 Punkte in ihren 6 Gruppenspielen geholt. Was die Häufigkeit der Halbfinalteilnahmen angeht - 13/14 hat Barcelona erstmals seit 6 Jahren das Halbfinale verpasst. Das Atletico ins Halbfinale vorstieß, war schon die Überraschung des letzten Jahres - die 3 anderen Halbfinalteilnehmer waren die üblichen Verdächtigen. Gleiches gilt diese Saison: Juventus ist das "Überraschungsteam" - mit Barca, Bayern, Real konnte man planen.

Das die Verteilungsmechanismen und das Financial FairPlay der UEFA nicht gerade förderlich für den Wettbewerb sind, sollte bekannt sein. Deshalb möchte ich jetzt hier auch nicht das Klagelied von der ungleichen Verteilung der Champions League-Millionen anstimmen, das anderswo schon oft (zu Recht) gesungen wurde. Es soll ein anderes Klagelied sein und zwar das des Konsumenten.

Wie spannend ist die Champions League noch für den Zuschauer im Allgemeinen und für mich im Besonderen? Vieles am Modus der Champions League ist darauf ausgelegt, den großen Klubs das Weiterkommen zu erleichtern. Die Gruppenphase dient als Durchgangsstation zu den KO-Spielen, die erstmals für richtig Spannung sorgen (sollen). Aber auch im Achtelfinale treffen die Gruppensieger nur auf Gruppenzweite, gegen die sie noch nicht gespielt haben, die nicht aus dem gleichen Verband kommen und deren offizielle Bezeichnung nicht auf den gleichen Buchstaben endet. Das verhindert meist, dass z.B. Real und Barca vor dem Halbfinale aufeinander treffen. Es gibt keinen Turnierbaum, der dem Fußballintreressierten einen kleinen Blick in die Zukunft ermöglicht. Das Achtelfinale zieht sich wie Kaugummi und erst ab dem Viertelfinale wird ohne Setzliste ausgelost. Da sind dann die Großen bereits unter sich.

Man hat das Gefühl, dass es so viele Regeln und Vorschriften bei der Ansetzung der Spiele gibt, dass kaum noch Platz für Unvorhergesehenes bleibt, für Überraschungsmannschaften, die es mit Losglück und Können auch mal bis in ein Halbfinale schaffen.

Hallo? Genau das möchte ich doch. Natürlich wünscht man sich nicht den reinen KO-Wettbewerb zurück, der eine Mannschaft mit einer Handvoll Spiele zum besten Team Europas machen konnte. Aber ein kleines Überraschungsmoment? Hm?

Die Spiele und ihr Ausgang werden gefühlt immer vorhersagbarer. Die Gruppenphase versprüht zumindest für mich wenig Spannung und die Lücke zwischen den Topklubs und den Mannschaften, die bei der Gruppenauslosung in Topf 3 oder 4 landen, wird größer. Statt latent vorhandenen Gefühlen, sollten natürlich Fakten sprechen. Schaut man sich dementsprechend die Punktausbeute der Gruppenletzten in den vergangenen Spielzeiten an, wird eines klar:



Abgebildet ist die durchschnittliche Punktzahl des Gruppenletzten seit Einführung der Gruppenphase mit 32 Teams. Für die schwächeren Teams, insbesondere aus den kleinen Ligen, zählt nur noch das Dabeisein. Bei Einführung der Gruppenphase erzielten die Gruppenletzten zunächst mal mehr, mal weniger Punkte. Seit 2006 ist ein Abwärtstrend erkennbar. Heißt: der Gruppenletzte ist immer abgeschlagener und dient als Punktelieferant. Im Schnitt gewinnt das Team auf Platz 4 inzwischen nicht mal ein Spiel - gerade mal 2,5 Pünktchen erreichten die 8 Letzten in dieser Spielzeit im Schnitt.

Die Vertreter aus Dänemark, Österreich, Belgien, Schottland und Rumänien fanden sich bspw. 2013 auf Platz 4 wieder. Für die kleineren Verbände ist eine Teilnahme an der Gruppenphase meist das Höchste der Gefühle. 2 mickrige Törchen erzielte Steaua in 6 Spielen, in denen der Keeper vom RSC Anderlecht ganze 17 Mal hinter sich greifen musste. Das macht die Gruppenphase nicht gerade spannender.

Die KO-Spiele sorgen bei mir zwar für mehr Spannung, aber die üblichen Verdächtigen scheinen sich sehr regelmäßig unter den letzten 4 einzufinden. Deshalb habe ich mir die Besetzung der Halbfinals angesehen, also welche Teams es in den CL-Spielzeiten unter die besten 4 Europas schafften. Seit Start der Champions League 1994* habe ich den Zeitraum in 4er-Schritten aufgeteilt. Die folgende Übersicht zeigt die Anzahl der Halbfinalteilnahmen im jeweiligen Zeitraum:


Was auffällt: die großen Namen tauchen in den letzten 8 Jahren öfter in den Semifinals auf. Waren es in den 3 Vier-Jahres-Abschnitten von 1994-2005 immer 10 oder mehr (von 16 möglichen) verschiedenen Teilnehmern, so machten zwischen 2006 und 2009 nur 7 Teams und von 2010 bis 2013 9 Teams die Finalteilnahme unter sich aus.

Der FC Barcelona bringt es inzwischen beispielsweise auf 6 Halbfinalteilnahmen in Folge. Bayern München und Real Madrid scheinen auch ziemlich fest gebucht in den letzten Jahren. Die Dominanz der Premier League scheint etwas nachgelassen zu haben.

Die Vertreter aus kleineren Ligen schauen sich das Kräftemessen der Großen inzwischen aus sicherer Entfernung an. Seit 2006 hat es nur ein Team, das nicht aus England, Spanien, Italien oder Deutschland stammt, in ein Halbfinale geschafft. In den Vier-Jahres-Abschnitten zuvor waren es immer mindestens 2 - in den Anfangsjahren sogar 6, starken französischen Teams sei Dank. Letztgenannte sind ja in den kommenden Jahren wieder im Halbfinale zu erwarten, allerdings nicht aufgrund der klugen und auf Gleichberechtigung bedachten Verteilungspolitik der UEFA, sondern weil die Ligue 1 ein angenehmer Spielplatz für das Wettrüsten von Investoren ist.

Wer also im Halbfinale spielt, danach kann man nahezu seine Uhr stellen. Für mich als Zuschauer ist diese Monotonie im Halbfinale und die Chancenungleichheit in der Gruppenphase ein Quell der Langeweile. Ach, schon wieder Champions League?

Natürlich wollen die großen Klubs abgesichert sein und die UEFA sitzt ein Stück weit zwischen den Stühlen. Einerseits die Interessen der Schwergewichte bedienen und ihnen einen gewissen Erfolg garantieren, um sie weiter im System UEFA zu halten. Andererseits den Zuschauern einen spannenden Wettbewerb bieten. Man hört Kalle und Co. immer mit der eigenen Superliga drohen. Dabei haben wir sie gewissermaßen schon. Nur, dass man in den Gruppenspielen, die eine oder andere Mannschaft aus den kleinen Ligen die Punkte abliefern lässt. Natürlich lebt die Champions League auch von den großen Duellen, aber eben auch vom Wettbewerb.

Das "Produkt Champions League" wird für mich immer unattraktiver. Wer, wie, was dafür verantwortlich ist, ist mir in dem Moment, in dem Bayern Viktoria Pilsen mit 5:0 abfertigt, egal. Ich weiß nur, dass ich mir Spannenderes vorstellen kann.

*zuvor wurde das Finale direkt im Anschluss an die Gruppenspiele ausgetragen

5 Kommentare:

  1. Danke für diesen Beitrag! Bestätigt jetzt auch mit harten Fakten mein Gefühl, dass ich zuletzt in einem Eintrag mit "Desinteresse" - zumindest am Achtelfinale - umschrieben hatte.
    Interessant finde ich aber, dass sich allgemein, weltweit die Champions League wachsender Beliebtheit erfreut. Da scheint das dreitausendvierhundertzwölfte Aufeinandertreffen von Real und Barca oder Bayern und Dortmund eine ungebrochene Faszination auszüben.

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  2. Was Max beschreibt würde ich damit erklären, dass Fans aus Ländern mit weniger eigener Fußballkultur eben keinen eigenen Verein in ihrem Land haben, der ihnen deutlich näher steht als die medial hochgejazzten Clubs der Champions League. Insofern ist ein Anwachsen des weltweiten Interesses nachvollziehbar, ebenso das nachlassende Interesse jener, welche auch noch andere Dinge im Fußball verfolgen als nur diese wenigen Highlight-Spieltage, die ja aufgrund von Vorhersehbarkeit und Wiederholung der Paarungen für Letztere keine mehr sind. Insbesondere, wenn man kein Fan der handelnden Personen ist, sondern sich eher allgemein für Fußball und den Ausgang von Spielen interessiert.

    Bin ja schon froh, dass andere sich ebenfalls gelangweilt abwenden, hier schon wieder zwei Blogger - und somit der Grund nicht allein sein kann, dass ich ein alter Sack geworden bin, der in der Erinnerung verklärten rauschenden UEFA-Pokalnächten nachhängt, die vermeintlich aufgrund ihrer KO-Haftigkeit stets Spannung beim Zuschauen versprachen.

    Das Bosman-Rad kann man genauso wenig zurückdrehen wie die Konzentration des auswärtigen Intereresses auf diese Stars. Möglicherweise verliert man schlicht Fußballfans wie uns. Und jene, welche sich vom Glanz der CL-Inszenierung angezogen fühlen, werden immer mehr. Was den Betreiber dann im Saldo kaum stören muss.

    Es ist ja auch nicht jedes Jahr so eintönig wie diesmal, aber der Trend verstärkt sich überall und das hier - sehr lesenswert - Zusammengetragene unterstützt die in diese Richtung weisenden Daten einmal mehr. Schade, aber ich wüsste - ad hoc- auch nichts, was dies aufhalten könnte.

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    1. Momentan sehe ich da auch keine Änderung in Sicht. Solange die paar großen Klubs genügend Anziehungskraft ausstrahlen, wird das System Champions League funktionieren.

      Eigentlich unverständlich, dass die UEFA nicht in Richtung mehr Wettbewerb und Chancengleichheit steuert, denn wenn man sich auf die Strahlkraft der Barcelonas und Reals verlässt, macht man sich von Ihnen abhängig.

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  3. Richtig guter Beitrag. Vor allem, weil Gefühle durch Fakten untermauert werden.

    Ich finds auch übel, dass immer die gleichen Teams im CL-Viertelfinale zu finden sind. Die Gruppenphase und das Achtelfinale sind sehr sehr überraschungsarm.

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  4. Die Alternative ist, dass die Nicht-Spannung von der Vorrunde in die tiefen KO-Phasen verschoben wird, falls die Top-Teams schon früh aufeinander treffen.

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